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100 Tage ist Piratenparteichef Schlömer im Amt. Doch seine Partei hat immer noch keine klaren Positionen zu den großen politischen Themen, die Umfragewerte gehen nach unten. Und jetzt gibt es auch noch Ärger ums Geld. Was hat Schlömer in den vergangenen drei Monaten erreicht?
Von Oliver Neuroth, SWR, ARD-Hauptstadtstudio
"Mein Name ist Bernd Schlömer und ich bin Pirat. Und das seit 2009", ruft eine Stimme in die Menge. Bundesparteitag der Piraten Ende April im schleswig-holsteinischen Neumünster: Noch ist Bernd Schlömer stellvertretender Piraten-Chef - ein paar Minuten später wählt ihn die Partei zur Nummer eins.
"Lieber Bernd, ich darf dich fragen: Nimmst du die Wahl an?", wird Schlömer gefragt. "Ich nehme die Wahl an, vielen Dank, danke schön. Wir werden viel erreichen!", kündigt der neue Mann an der Spitze der Piraten damals an.
Dieses Versprechen hat Schlömer bisher nicht wahrgemacht. Der Partei fehlen weiterhin Positionen zu den großen politischen Themen, wie der Bildungspolitik, der Energiewende oder zu Wirtschaftsfragen. Eine Konferenz dazu Ende Juli in Potsdam ging ohne greifbare Ergebnisse zu Ende. Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend traut nur ein Prozent der Befragten den Piraten zu, die Macht der Banken zu beschränken. Wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Partei auf acht Prozent der Stimmen. Im Mai waren es noch elf Prozent.
"Ich verlasse mich bei Umfragen nicht auf Meinungsforschungsinstitute. Prognosen sind in die Zukunft gerichtete statistische Unsicherheitsaussagen", sagt Schlömer im SWR. Er bleibt gelassen - sowohl was Statistiken angeht, als auch, was fehlende Inhalte bei den Piraten angeht. Man brauche noch etwas Zeit für ausgereifte Positionen. Die Basis habe schließlich die Macht - und sie zu befragen, dauere einfach etwas.
"Basisdemokratie ist manchmal schmerzhaft", gibt Schlömer zu. Beim nächsten Parteitag im November werde aber ein Bundestagswahlprogramm stehen, verspricht er. Und das werde keine Wünsche offen lassen. "Ich glaube, dass wir Beschlüsse treffen werden für Wahlprogramm-Bausteine, die jenseits des Spektrums liegen werden, in dem wir bisher immer verortet werden. Wir werden ja verortet als Ein-Themen-Partei. Das sind wir nicht und das werden wir auch beweisen."
[Bildunterschrift: Ob die Piraten auch 2013 jubeln können, ist offen. ]
Die Piraten sind zu einer Partei mit inzwischen rund 35.000 Mitgliedern gewachsen. Das heißt auch: Die Organisation wird immer aufwändiger und die bisherigen ehrenamtlichen Strukturen stoßen an ihre Grenzen. Pressesprecher klagten über Erschöpfung und Burnout und traten zurück.
"Die Ehrenamtsorganisation ist natürlich eine Belastung. Aber sie gibt uns letztendlich auch eine Chance, dass wir dem Bürger sagen können: 'Seht her, es lohnt sich für Demokratie in diesem Land zu streiten, auch wenn man das nicht hauptberuflich oder voll professionell macht.' Sondern, wenn man ein bisschen Zeit investiert, wenn man sich mit anderen trifft und auch Politik betreibt", betont Schlömer.
Einige der Piraten-Pressesprecher werden inzwischen für ihre Arbeit bezahlt, andere Ämter in der Partei sollen folgen. Doch dafür muss Geld her.
Und das entwickelt sich gerade zum Streitthema bei den Piraten: Schlömer will, dass die Piraten-Abgeordneten in den Landesparlamenten freiwillig einen Teil ihrer Einkünfte an die Partei weitergeben. Die meisten weigern sich. Deshalb wird "Geiz-Gate", der inoffizielle Name der Debatte, wohl zu einem der großen Aufgaben für Schlömer in den nächsten 100 Tagen. Er muss es schaffen, professionellere Strukturen bei den Piraten einzuführen und es dabei hinbekommen, bei Fragen rund ums Geld die Partei nicht gegen sich aufzubringen.
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