Im April sinnierte Verleger John Jahr senior, 70, er wolle sich aus der Verlagsarbeit »ein bißchen zurückziehen«. Sein Verlagspartner Gerd Bucerius, 64, überließ sich gelegentlich der »Vorstellung, wenn ich 70 bin, zu sagen: So, nun macht den Laden alleine«.

Letzte Woche machten die beiden Altverleger -- Mitgründer des Zeitschriftenkonzerns Gruner + Jahr (beide 37,5 Prozent) -- klar, daß es nun soweit ist, Sie kündigten ihren Rückzug aus dem Management des Gruner + Jahr-Verlags (Jahresumsatz: 600 Millionen Mark) an.

Die Konzerngeschäfte wollen die Verlagssenioren künftig einem fünfköpfigen Gremium mit weitgehenden Handlungsvollmachten überlassen -- der Gesamt-Geschäftsführung. Sie selbst ziehen sich in den neu zu schaffenden Verwaltungsrat, ein Gesellschaftergremium, zurück.

Mit dieser organisatorischen Veränderung, für den 1. Januar 1971 angekündigt, verschwindet ein Stück vorkriegsdeutscher Verlegertradition, zu der die patriarchalische Attitüde stets ebenso gehörte wie ein familiär-forsches Regiment in Redaktions- und Verlagsstuben, ein bißchen rationales Verwalten ebenso wie ein bißchen genialisches Wursteln.

Verlage wie Springer und Bertelsmann hatten derlei überkommene Verlagsstrukturen längst durch straffes, auf Effizienz gerichtetes Management ersetzt. Bei dem Jahr-Bucerius-Konglomerat von Periodika und Druckstätten blieb alles beim alten.

So hatte jeder der drei Gründungspartner -- neben Jahr und Bucerius der Drucker Richard Gruner aus Itzehoe -- seine eigene Equipe in die Führungsgremien bei Gruner + Jahr eingebracht, als der Konzern 1965 zustande kam. So gibt es im Verlagsmanagement bis heute eine »Stern« -- Gruppe (Bucerius), eine »Constanze« -- Gruppe (Jahr), eine Gruner-Gruppe -- obwohl der Drucker seinen Anteil längst verkauft hat.

Die »vielen Meinungsverschiedenheiten« (Jahr) unter den Gruppierungen gipfelten im Duumvirat an der Spitze. »Daß Bucerius und ich nicht immer einer Meinung waren«, so Jahr, »das weiß jeder.«

Die neue Gesamt-Geschäftsführung wird sich deshalb vorwiegend aus Konzern-Neulingen zusammensetzen. Ex-Springer-Manager Ernst Naumann, 48, Vorsitzender des Gremiums, bevorzugte »nicht Stars, sondern Routiniers«; so den seit zehn Jahren beim SPIEGEL tätigen Verlagsleiter Rolf Poppe, 41, einst Journalist, dann Verlags-Trainee bei der »Welt«, und den studierten Betriebswirt und Maschinenbauer Peter Thoma, 33, einst Verwaltungs-, dann Technik-Manager bei Springer.

Foppe wird den »Unternehmensbereich Zeitschriften« übernehmen und damit praktisch alle Blätter des Konzerns lenken. Zu den bisherigen Verlagsobjekten ("Stern«, »Brigitte«, »Schöner Wohnen«, »Capital«, »Jasmin«, »Eltern«, »Twen") übernahm Gruner + Jahr letzte Woche ein weiteres Wirtschaftsblatt: den »Aktionär«

Auch zwei Gruner Jahr-Veteranen werden der Führungsspitze angehören: Senior-Sohn John Jahr junior und -- als »journalistisches Gewissen« (Naumann) -- »Stern« -Chef Henri Nannen, 56, Doch ist, so Naumann, »nicht zu leugnen«, daß das künftige Führungskonzept bei Gruner + Jahr »auf den Erkenntnissen« fußt, »die wir bei Springer gesammelt haben -- auch aus gewissen Fehlentwicklungen«.

Seine Erkenntnisse kann Naumann wohl schon vorzeitig bei Gruner + Jahr praktizieren, nachdem er letzte Woche eine gewisse Fehlentwicklung zwischen seiner vormaligen und künftigen Wirkungsstätte beseitigen half: den Widerruf-Prozeß Springers gegen den »Stern« (SPIEGEL 12/1970).

Nach erlassener einstweiliger Verfügung bleibt dem »Stern« zwar die Behauptung vom »Ausverkauf bei Springer« untersagt. Doch die Kontrahenten einigten sich auf »die erforderlichen Schritte ... um sämtliche anhängigen Verfahren zu beenden«.

Das juristische Gewaltverzichtabkommen könnte Naumann aus einem blockierenden Status quo befreien: Nach einem Wettbewerbsverbot in seinem Abfindungsvertrag mit Springer dürfte der Manager, künftig zugleich auch Mitgesellschafter (fünf Prozent) und Treuhänder für den stillen Teilhaber Bertelsmann bei Gruner + Jahr (25 Prozent), dort erst vom 1. Januar 1971 an tätig werden. Hält freilich, so kalkuliert Naumann, das Haus Springer nunmehr auf Burgfrieden, kann »alles schon vorher wirksam« werden,